Der Psychosomatik fehlt ein plausibler theoretischer Überbau

Jeder der psychosomatische Effekte erklären möchte, muss zunächst über einen entsprechenden theoretischen Überbau verfügen, der eine angebliche Interaktion der Psyche (Seele) mit dem Körper plausibel erklären kann, mit der besonderen Schwierigkeit, daß andere physikalische Gesetze nicht verletzt werden.

Der Psychosomatik aber fehlt ein derartiger Überbau mit einem plausiblen Wirkprinzip.

Fundament und Resultate

Das Anliegen der Psychoschiene ist nicht, den Einzelstudien der Psychologie methodische Fehler nachzuweisen oder diese durch Gegenstudien zu widerlegen. Hier und da ist eine Widerlegung möglich. Beim Großteil aber der fabrik- und fliessbandmäßigen Produktion von psychologischem Unwissen ist eine solche Widerlegung schon aus Zeitgründen gar nicht zu leisten.

Es ist aus unserer Sicht auch nicht der richtige Weg. Die Kritik der Psychologie muss wegkommen von der Einzelstudie hin zu der Frage, ob die Psychologie als ganzes überhaupt verdientermaßen als Wissenschaft bezeichnet werden darf.

Woran es unserer Sicht nach viel mehr krankt, das ist also eine umgreifende theoretische Fundierung der Psychologie. Momentan operiert die Psychologie vollkommen anwendungsorientiert im theoretischen Vakuum.

Betroffen ist zuallererst ihre Fundierung als legitime akademische Disziplin schlechthin. Im weiteren die glaubhafte ontologische Fundierung dessen, was ohne theoretisches Fundament eben nichts weiter ist, als blosse Lehrmeinung.

Wir sind der Überzeugung, daß die Psychologie eine Pseudowissenschaft ist und ihre Resultate, ihre Studien, nichts anderes sind. Trotzdem bringen ihre Studien scheinbar immer wieder „signifikante” Ergebnisse hervor.

Der für uns daraus zu ziehende Schluss lautet, dass wir die Frage aufwerfen müssen, wie es sein kann, dass Pseudowissenschaften, durch die Anwendung empirische „scientific method”, offensichtlich signifikante Ergebnisse erzielen können.

In seiner Publikation „Ist die Psychologie eine Wissenschaft?” beschreibt Mark Galliker das Problem folgendermaßen:

„Der Wissenschaftsjournalist Rolf Degen kritisierte vor einigen Jahren mit seinem Buch „Lexikon der Psycho-Irrtümer” das herkömmliche psychologische Wissen. Bei seiner Vorgehensweise orientierte er sich an damals aktuellen Forschungsergebnissen. Indessen bezog sich seine Kritik nicht auf die Methodik und Methodologie dieser Untersuchungen. Dieselbe schien er problemlos zu akzeptieren. Indes ist es eben diese Methodik und Wissenschaftslogik, die zu den Ergebnissen führte, die er allesamt unterschiedslos infrage stellte, …”

– Galliker, Mark: Ist die Psychologie eine Wissenschaft?

Eine kritische Überprüfung hat zu belegen, daß es überhaupt eine seriöse wissenschaftliche Grundlage dafür gibt, Psychologie zu betreiben. Wir streben eine kritische Überprüfung zum einen der ontologischen sowie zum anderen der wissenschaftstheoretischen Fundierung der Psychologie an.

Die Frage der wissenschaftlichen Fundierung ist besonders brisant in Hinblick auf das PsychThG. Dieses fordert explizit in §1 Abs. 3:

“Ausübung von Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.”

PsychThG, §1 Berufsausübung

Über diese von §1 Abs. 3 geforderte wissenschaftliche Anerkennung von Psychotherapiemethoden etwa entscheidet nach §11 Wissenschaftliche Anerkennung des PsychThG der „Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie” schlichtweg einfach per Abstimmung !

Ebenfalls ist es nicht zielführend, zu fragen, ob ein Einzel-Resultat die Anforderungen des Paradigmas der „Evidenzbasierung” erfüllt. Es ist umgekehrt danach zu fragen, ob das
Paradigma der „Evidenzbasierung” – als Fundament – uns tatsächlich effektiv vor Schlechter Wissenschaft bzw. Pseudowissenschaft schützen kann.

Weiter geht es also mit dem Beitrag: Die Gegenstandsfrage in der Psychologie

Die Gegenstandsfrage in der Psychologie

Einleitung: „Die Psychologie ist ein besonders sicherer Typ von Wissen”

Wir betrachten zur Einleitung das offizielle Narrativ, mit welchem die Psychologie gerne im Disziplin-Aussen-Verhältnis auftritt.

erstens: Fundamentalwissenschaft

Das offizielle Narrativ schildert die Psychologie weniger als Einzelwissenschaft, denn viel mehr als Fundamentalwissenschaft, die den anderen Disziplinen an Sicherheit und Leistungsfähigkeit voransteht, gewissermaßen sogar deren Grundlage bilde, da sie – entsprechend dem empiristischen Dogmatismus – einem hintergründigeren und vor allem unwiderlegbaren, weil auf unmittelbarer Anschauung beruhendem Wissen, basiere.

zweitens: Mathematische Präzision & pure Rationalität

Die Psychologie – gerade als Fundamentalwissenschaft – stellt sich gerne dar als Unterdisziplin der Mathematik. Das Kalkül ist offensichtlich. Die Botschaft: Psychologie ist eine Wissenschaft mit mathematischer Exaktheit.

Psychologisches Wissen sei im Kern nichts weiter als „Datenerhebung” und „Datenauswertung” – und nichts darüber hinaus. Also „dogmenunabhängige,  objektive Rationalität.”

drittens: Selbstreflexion

Aber damit nicht genug. Schauen wir uns die überhöhte und absurd unkritische Verheiligung der Psychoanalyse durch Habermas an, wie sie typisch für die sog. „Intellektuellen” ist. In dem Werk „Erkenntnis und Interesse” findet sich eine Instanz des Narrativs über das zweite Attribut, welches der Psychologie neben ihrem hintergründigeren Erkenntnisbasis beigelegt wird. Nämlich ein schier überdurchschnittliches Maß an Selbstreflexion.

Entsprechend heißt das Kapitel auch „Selbstreflexion als Wissenschaft: Freuds psychoanalytische Sinnkritik.” Daß hier Freud im Fokus steht soll uns nicht stören. Die Zuschreibungen bleiben auch bei sich ändernden psychologischen Schulen stets dieselben.

viertens: Fortschritt (siehe Abgrenzungskriterien [in Arbeit] )

Der Disziplin wird Fortschritt in der Weise nachgesagt, sodaß a) die Psychologie durch den Fortschritt den naiven Seelenglauben vergangener Tage in Wissenschaft transformiere und b) qua ihrer Fortschrittlichkeit vorher nicht für denkbar gehaltene Erkenntnisse und Resultate auf den fremden Gebieten anderer Einzelwissenschaften erreiche.


Das ist natürlich ein gewaltiger Anspruch, den das Selbstbildnis der Psychologie hier über ihre Stellung unter den Wissenschaften erhebt.

Betrachten wir einleitend ein paar Beobachtungen über die „wissenschaftliche Seelenlehre”, die wir weiter unten noch vertiefen werden.

Problemaufriss: Das Narrativ steht im Gegensatz zu einigen Feststellungen

Gruppe I: Mangel an Theoriebezug

  1. » Das Zustandekommen psychologischer Aussagen aus allgemeinen Prinzipien ist nicht erkennbar.
  2. » Eine Menge von Aussagen lässt sich nicht eindeutig in eine Menge psychologischer und nicht-psychologischer Ausdrücke („Hochstapelei”, „Falschmünzerei”) einteilen.
  3. » Psychologische Überzeugungen sind beliebig: Auf die Frage, warum man heute davon ausgeht, daß Telepathie und Psychokinese nicht funktionieren – während andere Beeinflussungen der „Psyche” auf die „Materie” sehr wohl für möglich gehalten werden – kann eine Psychologie, ohne über theoretischen Hintergrund von der Psyche zu verfügen, nur antworten: „Weil die anderen Phantasmorgien aus der Mode gekommen sind.“

Gruppe II: Disziplin

  1. » Ohne einheitliche Begriffsbestimmung des
    ›Psyche‹-Begriffs ist die Einheit der Disziplin aufgehoben. Es lässt sich betreffs der Disziplin nicht feststellen, wie viele „Psychologien” es der Zahl nach gibt.
  2. » Betreffs der Unterarten der Psychologie ist nicht eindeutig (relativ abschließend) festzustellen, welche und wie viele sie sind.

Begriffsbestimmung

Eine Disziplin gründet sich auf der gültigen Bestimmung ihres Forschungsgegenstandes, d.h. ihres spezifischen Geltungsbereiches.

» Charakterologie macht Ansätze dazu, eine Wissenschaft zu heißen. […] Noch ungünstiger scheint es für die neue Disziplin, daß ihr Gegenstand, der Charakter, keine Realität besitzt, daß also, wie die Psychologie ohne Psyche mit den alten Worten weiter arbeitet, auch die Charakterologie eine gleichberechtigte Wissenschaft werden will, uns aber niemals verraten wird, was denn Charakter eigentlich sei

– Mauthner, Franz: Wörterbuch der Philosophie


Forderung, dass der Begriff scharf begrenzt sei (Frege):

„Eine Definition eines Begriffes (möglichen Prädikates) muss vollständig sein, sie muss für jeden Gegenstand unzweideutig bestimmen, ob er unter den Begriff falle (ob das Prädikat mit Wahrheit von ihm ausgesagt werden könne) oder nicht. […] Wenn man sich Begriffe ihrem Umfang nach durch Bezirke in der Ebene versinnlicht, so ist das freilich ein Gleichnis, das nur mit Vorsicht gebraucht werden darf, hier aber gute Dienste leisten kann. Einem unscharf begrenzten Begriffe würde ein Bezirk entsprechen, der nicht überall eine scharfe Grenzlinie hätte, sondern stellenweise ganz verschwimmend in die Umgebung überginge. Das wäre eigentlich gar kein Bezirk; und so wird ein unscharf definirter Begriff mit Unrecht Begriff genannt. Solche begriffsartigen Bildungen kann die Logik nicht als Begriffe anerkennen; es ist unmöglich, von ihnen genaue Gesetze aufzustellen. Das Gesetz des ausgeschlossenen Dritten ist ja eigentlich nur in anderer Form die Forderung, dass der Begriff scharf begrenzt sei. Ein beliebiger Gegenstand Δ fällt entweder unter den Begriff φ, oder er fällt nicht unter ihn: tertium non datur.”
– Frege, Gottlob: Grundgesetze der Arithmetik (Band II, § 56)

Wir sehen unschwer ein, daß diese Forderung von dem Begriff der „Psyche”, mit dem die „Psycho-logie” so erfolgreich operiert, ausgesagt werden kann.

Es existiert keine allgemein anerkannte Definition davon, was eine „Psyche” sein soll.

Man kann – aber nur scherzhaft – dazu anfügen, daß zumindest Einigkeit über die dogmatische Lehrmeinung darüber besteht, daß es eine „Psyche” gibt und diese also irgendwie irgendwas verursacht.

Vorfrage: Kann eine ›Psyche‹ überhaupt zum Gegenstand von akademischen Wissen werden?

Erheblich ist ebenfalls die Vorfrage, ob und unter welchen Umständen eine ›Psyche‹ überhaupt zum Gegenstand von (wissenschaftlichem) Wissen werden kann, oder ob es sich bei ihr nicht überhaupt eher um Spekulation säkularisierter Religion, um Nichtwissen bzw. Antiwissen, handelt.

Das „Psychische” ist eine Teilmenge des „Paranormalen.”

Können UFOs, Gespenster, das Monster von Loch Ness, der Yeti, Hellsehen,  und all der übrige Volksaberglaube, die viele von uns noch immer glauben, etwa zum Gegenstand akademischer Forschung werden?

Wenn wir also bei einer Hierarchisierung von Engeln nicht von „wissenschaftlichen Ergebnissen” sprechen wollen, aufgrund welcher besonderer Umstände sollten wir dann die Zergliederung (analysis) einer ›Seele‹ für etwas anderes halten als ebenfalls obskure Spekulation?

Und warum sollten wir bestmmten Individuen („Psycho-logen”) eine besondere Einsicht (λόγος) in dieses obskure „Wissensgebiet” zu- oder nicht zuerkennen? Zum Seelen-Gelehrten per Diplom?

Die Auswahl und Abgrenzung des Geltungsbereichs

Eine Wissenschaft ist ein System von Aussagen über einen bestimmten Geltungsbereich.

Entscheidet man die og. Vorfrage mit einem ‘ja’, dann muss durch eine gültige Begriffsbestimmung des Forschungsgegenstandes jener Bereich der durch die Disziplin legitim zu bearbeitenden Gegenstände sowie der Bereich legitimer Fragestellungen eingeschränkt werden.

Die gültige Bestimmung des Forschungsgegenstand und damit eines legitimen Bereiches von Forschungsthemen ist die Vollzugsgrundlage jeder Disziplin und damit von äusserster Wichtigkeit für eine solche.

„Psychologie ohne Psyche, Theorie ohne Gegenstand”

Bisher konnte jedoch noch keine Einigung darüber erzielt werden, was überhaupt der Forschungsgegenstand der Psychologie ist.

Dabei ist das Problem der Gegenstandsfrage für die Existenz einer Psychologie als akademischer Wissenschaft nicht weniger wichtig, als eine plausible Lösung des Leib-Seele-Problems.

Die Frage nach dem eigentlichen Forschungsgegenstand und damit dem Geltungsbereich psychologischer Untersuchungen, Fragestellungen und schließlich der Abgrenzung von anderen Disziplinen ist für die Frage der Existenzberechtigung der Psychologie als akademische Disziplin im mindesten von so zentraler Bedeutung wie die Lösung des Leib-Seele-Problems.

Die Kontroverse um die Gegenstandsfrage in der Psychologie als wissenschaftliche Disziplin wurde in den 70er Jahren so brisant, daß ihr eigens die Monographie ‘Eberlein/Pieper (Hg.): Psychologie – Wissenschaft ohne Gegenstand?‘ gewidmet wurde.

Bekannt geworden ist sie unter der Bezeichnung ‘Herrmann-Kirchhoff Kontroverse.’ Die Psychologie ist damals genausowenig zu einem Ergebnis gekommen, wie sie bis heute zu einem Ergebnis bezüglich des Leib-Seele-Problems gekommen ist.

Und dennoch konnten und wollten auch bis heute die an Universitäten tätigen Psychologen keine Einigkeit darüber erreichen was eigentlich Gegenstand ihrer Forschung ist.

Nichtssagende Nominaldefinition statt wissenschaftlicher Begriffsbestimmung

Die psychologischen Lehrbücher enthalten regelmäßig eigentümlicherweise keine Definition des Begriffs der ›Psyche‹.

Stattdessen enthalten Lehrbücher der Psychologie regelmäßig die Frage „Was ist Psychologie?” Die Antwort besteht aber stets nur aus einer nichtssagenden Nominaldefinition. Groeben/Westmeyer geben einige Beispiele in ‘Kriterien
psychologischer Forschung. S.17′:

  • »Psychologie ist die Wissenschaft von den Inhalten und den Vorgängen des geistigen Lebens, oder, wie man auch sagt, die Wissenschaft von den Bewulkseinszuständen und Bewufetseinsvorgängen.
  • »Psychologie . . stellt sich . . vor allem die Aufgabe, die Bewußtseinsvorgänge in ihrem eigenen Zusammenhang zu untersuchen.« (Wundt 1908, S. 2)
  • Im Gegensatz zur rein gegenständlich verfahrenden oder objektivierenden Psychologie, die nur Erkenntnismauern um die Liebe aufbauen vermag, hat die Daseinserkenntnis im liebenden Miteinander von Ich und Du ihren eigentlichen Grund und Boden (Binswanger 1942, S. 28)

Der Wikipedia-Eintrag zur ›Psyche‹  versorgt uns mit folgender weiteren nichtssagenden Nominaldefinition:

  • »„Psyche“ bezeichnet das System, in dem Wahrnehmen und Denken gründen, also das, worin die affektiven und rationalen Motive unserer Handlungen gründen. „System“ (Organismus) bezeichnet ein Gebilde, dessen wesentliche Elemente (Teile) so aufeinander bezogen sind, dass sie eine Einheit (ein Ganzes) abgeben.« (Quelle)

Anhand dieser Beispiele wird deutlich sichtbar, was Dubislav in seiner ›Definition‹ über die Nominaldefinition zu sagen hat. Er weist darauf hin, daß man es bei Nominaldefinitionen…

„…bloß mit willkürlichen Benennungen zu tun hat, aus denen allein keine Beschaffenheiten des so willkürlich Bezeichneten gefolgert werden können.”
– Dubislav, Walter: Die Definition. S. 7

Am liebsten möchte die Psychologie eine klare Festlegung auf einen bestimmten Gegenstandsbereich vermeiden. F.A. Lange verkündete die bekannte „Psychologie ohne Psyche”, die Psychologie heute verkündet die „Theorie ohne Gegenstand,” wobei, wie oben gesagt, es auch keine Theorie gibt, in welcher der Begriff der Psyche definiert werden würde.

Der Psyche-Begriff ist eine ideologische Leerformel

Die Psychologie gibt also von ihrem Forschungsgegenstand nichts anderes als nebulöse Nominalidefinitionen.

Alles, was damit Aussagen über irgendeine Psyche anbelangt ist damit viel zu unbestimmt, um überprüft werden zu können.


Wir haben hieraus zu schließen: Ein Psychologe kann an alles Glauben.

Legitimation als akademische Disziplin

Aufgrund der unten angeführten Punkte bestreiten wir ganz klar die Legitimität der Psychologie als akademischer Disziplin. Unter den im folgenden dargelegten Voraussetzungen läßt sich die Psychologie als akademische Disziplin nicht legitimieren.

Für gewöhnlich untersuchen Angehörige der selben Disziplin den selben Forschungsgegenstand, also den selben Gegenstandsbereich. Uneinigkeit aber darüber, was eigentlich erforscht werden soll, stellt daher ein großes Hindernis zur Herausbildung einer wissenschaftlichen Disziplin dar.

Ohne Einigung auf einen Begriff der Psyche ist die Einheit der Disziplin aufgehoben. Effektiv handelt es sich um mehrere Wissenschaften.

Solange unter den an Universitäten arbeitenden Psychologen also nicht einmal  Einigkeit darüber zu erreichen ist, welchen Geltungsbereich sie untersuchen, liegen nicht einmal die Grundvoraussetzungen für eine Anerkennung der Psychologie als akademische Disziplin vor.

a) Wissenschaft als zeichen-sprachlicher Fachwerkbau

Ohne einheitliche Definition des Forschungsgegenstandes beziehungsweise kohärenter theoretischer Grundlage gibt es keine kumulative Forschung und folglich liefert die Psychologie „Wahrheiten” prinzipiell verschiedener Art.

b) Wissenschaft als Tätigkeit

Die Aufforderung „erforsche!” nicht eindeutig: Was sollten die Psychologen mit einer solchen Angabe auch erforschen?

Solange also wie oben bereits gesagt unter den an Universitäten arbeitenden Psychologen nicht einmal  Einigkeit über den Forschungsgegenstand hergestellt werden kann, muss man weiter daraus schließen, daß es der Zahl nach nicht bloss eine Forschungstätigkeit  gibt, die sich „Psychologie” nennt, sondern der Zahl nach gleich mehrere – vielleicht sogar eine Anzahl, die kaum mehr abzuzählen oder sinnvoll zu erfassen ist.

(Geschweige denn die schier unüberschaubare Anzahl an Publikationen, die sich aus einer schon unüberschaubaren Anzahl an Psychologien ergeben muss. Aber das ist an dieser Stelle nur eine Randnotiz.)

Man muss aber noch weiter schließen, als daß es a) bloss der Zahl nach  mehrere Forschungstätigkeiten gibt, welche sich als „Psychologie” bezeichnen, sondern, daß es b) im mindesten der Zahl nach  mehrere Forschungstätigkeiten gibt, die willkürlich einfach irgendetwas erforschen. Und schlimmstenfalls muss man c) schließen, daß es es sich dabei nicht einmal um Forschungs-Tätigkeiten, sondern überhaupt bloss noch um irgendwelche nicht näher bestimmten und bestimmbare Tätigkeiten handelt!

Klare Festlegung des Anwendungsbereichs und der Aufgaben

Ohne Festlegung auf einen Forschungsgegenstand und damit auf den spezifischen Bereich, welchen die Auswahl legitimer psychologischer Forschungsthemen umfasst, bleibt ebenso ungeklärt, was die eigentlichen Aufgaben der Psychologie sind.
Beziehungsweise, was ihr legitimer Anwendungsbereich ist.

Es ist genau zu klären, wer, unter welchen Umständen, aus  welchem Grund, aufgrund welcher Lehrmeinungen oder Ansichten, mit welchem Ziel, auf welche Art und Weise, mit welchen möglichen Ergebnissen und mit welchen Mitteln zum Widerspruch zum Anwendungsbereich psychologischer Wissens- und Handlungsbestände werden kann.

Wenn sie das nicht tut, dann kann zumindest aus wissenschaftstheoretischer Sicht „jeder, jederzeit” zum Gegenstand nicht näher bezeichneter psychologischer Handlungen werden. Eine andere Forderung als grenzenlose Ausbreitung kennt die Psychologie ohnehin nicht.


Wir haben hieraus zu schließen: die Psychologie verfügt über keine Vollzugsgrundlage als wissenschaftliche Disziplin.

Ein übergreifender theoretischer  Rahmen als Voraussetzung zur Gegenstandsbestimmung fehlt

Selbst, wenn die Psychologie ihren Gegenstand bestimmen wollte, so könnte sie es nicht, da sie im  theoretischen Vakuum herumdillettiert.

Die Psychologie besitzt keinen übergreifenden theoretischen Rahmen. Weil aber die Umgangssprache zu vieldeutig ist, kann nur sinnvoll in einem Axiomensystem definiert werden.

Die Angabe einer Definition eines Zeichens setzt also genau so wie die Angabe eines Beweises eines Satzes ein System von Grundvoraussetzungen voraus, hinsichtlich dessen definiert bzw. bewiesen wird.
– Dubislav, Walter: Definition. s. 33

Nach Hilbert hat eine wissenschaftliche Disziplin ein Axiomensystem aufzustellen, aus dem Aussagen, welche unter einer bestimmten Flagge gemacht werden, als Theoreme ableitbar sind.

„Wenn es sich darum handelt, die Grundlagen einer Wissenschaft zu untersuchen, so hat man ein System von Axiomen aufzustellen, welche eine genaue und vollständige Beschreibung derjenigen Beziehungen enthalten, die zwischen den elementaren Begriffen jener Wissenschaft stattfinden.

[…] jede Aussage innerhalb des Bereiches der Wissenschaft, deren Grundlagen wir prüfen, gilt uns nur
dann als richtig, falls sie sich mittelst einer endlichen Anzahl logischer Schlüsse aus den aufgestellten Axiomen ableiten läßt.”

– David Hilbert: Mahematische Probleme. (Vortrag, gehalten auf dem internationalen Mathematiker-Kongreß zu Paris 1900.) 2. Die Widerspruchslosigkeit der arithmetischen Axiome.

Ausserordentliche Behauptungen ohne ausserordentlichen Grundlagenbezug

Nehmen wir einige Lehrmeinungen, welche die Psychologie dogmatisch als Wahrheiten verkauft. Der sogenannte Wissenschaftsjournalismus, übernimmt die Lehrmeinungen regelmäßig ungeprüft und verbreitet sie als Wahrheiten.

Von einem ontologischen oder auch rein logischen Standpunkt aus kann man keine Behauptungen über die angeblichen Wirkungen der Seele machen, ohne vorher eine Theorie von der Seele aufgestellt zu haben.

Würden also die folgenden Behauptungen – wie sie immer wieder an verschiedenen Stellen in den Medien auftauchen – den o.g. wissenschaftstheoretischen Adäquatheitskriterien Hilberts genügen, dann müsste es sich dabei um Theoreme handeln, die sich aus einem übergeordneten Aussagensystem der Psychologie deduzieren liessen.

  1.  Psychische und psychosomatische Erkrankungen betreffen viele Menschen.
  2. Millionen Menschen in Deutschland leiden an Problemen mit der Psyche.
  3. Die Ursache für Krankheit kann in der Psyche liegen
  4. Die Psyche hat Einflüsse auf körperliche Erkrankungen wie Bluthochdruck, Migräne, Schwindel, Tinnitus, Diabetes
  5. Wenn die Seele leidet, leidet auch der Körper. Psychische Probleme äußern sich deshalb oft in körperlichen Beschwerden.
  6. Schmerz und Psyche sind eng miteinander verwoben

Jeder Satz eines deduktiven Systems muß sich entweder aus einer bestimmten Gruppe von Sätzen des Systems (den Grundsätzen) in endlich vielen, durch die Ableitungsregeln zugelassenen formalen Deduktionsschritte deduzieren („beweisen”) lassen – oder er muß selbst einer dieser Grundsätze sein.

Oder umgekehrt formuliert:
Alle wohlgeformten Theoreme eines wissenschaftliches Systems sowie dessen wissenschaftlich gültig abgeleiteten Begriffe müssen  vollständig auf die Grundbegriffe zurückführbar sein.


Wir haben also zu urteilen  Keine einzige dieser wilden Behauptungen genügt den oben genannten Ansprüchen der Wissenschaftstheorie. Deswegen handelt es sich um dogmatische Lehrmeinungen und nicht Lehrsätze.

Worum es sich hierbei handelt sind, qua fehlendem theoretischen Rahmen, lediglich unprüfbare Zusammenhangsvermutungen zwischen uninterpretierbaren begriffen.

Der Sprachgebrauch setzt den „Psyche”-Begriff einfach unkritisch voraus

In jeder Aussage über die ›Psyche‹ ist immer eine petitio principii mit einer impliziten Existenzbehauptung vorhanden, die man logisch folgendermaßen formalisieren könnte…

∃x (P(x) Q(x))

(In Umgangssprache: „Es existiert eine Psyche und…”)

Bei Q(x) kann es sich zum Beispiel um das Prädikat handeln: „…diese hat einen Einfluss auf den Körper.” In dem Fall hätten wir neben der Existenzbehauptung über das Subjekt noch eine weitreichende willkürliche Behauptung im Prädikat in der zweiten Teilaussage.

Auf diese Weise werden unzählige Aussagen ohne jeden Beweis produziert.


Wir haben zu schließen

Es dürfen weder die Existenz einer Psyche noch ihre angeblichen Vermögen als selbst-evident hingenommen werden. Die Begriffe sind gültig zu bestimmen und die Zusammenhangsbehauptungen zu beweisen.

Nichts, was mit der „Psyche” und ihren angeblichen Vermögen zu tun hat, versteht sich von selbst.

Die Explikation  des Begriffs Psyche

Solange die Psychologen nicht ehrlich mit der Sprache herausrücken, was sie mit „Psyche” meinen, ist es nicht sinnvoll oder auch nur möglich, sich mit ihren obskuren Spekulationen über die Seele überhaupt auseinanderzusetzen.

Die Psychologie ist vorläufig ein Projekt und nichts weiter. Ob dieses Projekt realisierbar ist oder nicht, wird sich erst zeigen, wenn es ihr gelingt, die Gültigkeit ihrer Existenzbehauptung nachzuweisen.

Praxisorientierung, Betaetigungsdrang und fehlender Theoriebezug

Die Psychologie ist eine im Prinzip ausschließlich praxisorientierte Disziplin, die mit abenteuer-hungrigem Betaetigungsdrang eine Praxis ohne Fundament.

Adäquaterweise sei bei jeder Wissenschaft zunächst festzustellen,

  1. um was für eine Art von Wissenschaft es sich handelt und welcher Vorgehensweise sie sich bedient, („prius oportet cognoscere modum scientiae…”)
  2. bevor man sich an die Erkenntnis der Gegenstände machen kann, von denen die Wissenschaft handelt (“…quam procedere in scientia ad ea consideranda de quibus est scientia”).

Peter Atteslander findet harte Worte für eine derartige Praxisorientierung auf Kosten des Theoriebezuges, wie er in der Psychologie vorherrschend ist.

Empirismus in diesem Sinne ist entweder Unverständnis der Kriterien der empirischen Sozialforschung oder mehr oder minder bewusster Missbrauch. Er liegt immer dann vor, wenn ein Theoriebezug nicht nachvollziehbar ist […] und wenn empirisch zusammengestellte Daten fälschlicherweise unter dem Etikett der Wissenschaftlichkeit verwertet werden.

– Peter Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 6

Das blinde und unreflektierte Anwenden von Kochrezepten aus dem wissenschaftstheoretischen Methodenfundus, wie er in der Psychologie betrieben wird, kann mit gutem Gewissen unter den Begriff der Cargo Cult Science subsumiert werden!

Wir werden an geeigneter Stelle noch einmal auf das psychologische Experiment im Rahmen des Empiristischen Programmes zurückkommen.

Psychosomatik: Ein plausibler Wirkmechanismus fehlt

Ein Sonderfall des o.g. Aktionismus ist die Psychosomatik. Die übergreifende Theorie, welche die Psychologie eben nicht vorweisen kann, enthält dann schließlich auch kein plausibles Wirkprinzip (das ungelöste Leib-Seele-Problem) für die Aussagen der Psychosomatik.

Die Psychosomatik ist ein Beispiel dafür, wie die Psychologie ohne theoretische Fundierung einfach so drauflos praktiziert.

(Die Leute werden es schon akzeptieren. Die Psychologie hat einen free-pass und kann sich alles erlauben.)

Der Wert psychosomatischer Forschungsergebnisse

Kann man psychosomatischen Forschungsergebnissen überhaupt einen Wert zusprechen?

Da ein theoretisch fundierter plausibler Wirkmechanismus fehlt, ist für die „Forschungsergebnisse” der Psychosomatik der gleiche Umgang zu fordern wie mit denen der Homöopathie:

„Thus, until homeopathy’s apologists can supply a plausible (nonmagical) mechanism […] Any study claiming to demonstrate effectiveness of a homeopathic medication should be rejected out-of-hand”
– quackwatch.org

Was berechtigt nämlich mangels von einer Theorie abgeleiteten Prognose dazu, Beobachtungsmaterial in dieser oder jener Weise zu deuten?


Wir werden auf den fehlenden Theoriebezug im psychologischen Experiment noch an geeigneter Stelle zu sprechen kommen.

Die Psychosomatik kann keine Diagnosen stellen

1. Fehlendes Unterscheidungskriterium

Die Psychosomatik besitzt kein präzises Unterscheidungskriterium, wodurch sie autonom die von ihr so-genannten „körperlichen” von den von ihr so-genannten „psychogenen” Symptomen unterscheiden könnte. Jede Grenzziehung ist wie so oft in der Psychologie wieder einmal willkürlich. Es liegt aufgrund dieser Tatsache offen, daß die Psychosomatik gar nichts anderes sein *kann* als eine Entsorgungseinrichtung (man kann auch sagen: Mülltonne) für alles, was die Medizin nicht behandeln will.

Dieser Befund ist gleichwertig mit der Feststellung, daß die Psychosomatik und mithin die Psychologie keine objektiven Tests für die von ihr behaupteten Krankheiten hat.

2. Cherry picking und Empirischer Gehalt von Psychosomatik-Diagnosen

Die psychosomatische Diagnostik ähnelt einem Hexentest, weil sie eine Ergebnisoffenheit vortäuscht, in Wirklichkeit aber meist nur einen Ausgang kennt. Im Prinzip handelt es sich um einen Zirkelschluss durch Selektion. Bevor wir verstehen können, warum das so ist, müssen wir zunächst den Begriff des empirischen Gehaltes kennenlernen. Der empirische Gehalt ist von Popper bestimmt als die Menge der Falsifizierungsmöglichkeiten einer Theorie. Je mehr eine Theorie verbietet, desto höher ist ihr empirischer Gehalt und umgekehrt.
Westmeyer stellt nun die Strukturgleichheit von Erklärung und Prognose einerseits, für welche die Definition von Popper gilt, und der Diagnose andererseits, fest. Nun ist, wie gesagt, psychosomatische Diagnostik nicht ergebnisoffen, sondern kennt meist nur einen einzigen Ausgang. Das liegt daran, daß eine Vorselektion von Falsifikationsmöglichkeiten stattfindet. Das Patientenkollektiv, auf welches psychosomatische Diagnostik überhaupt angewandt wird, ist durch das Prädikat gekennzeichnet, daß trotz „viel” medizinischer Diagnostik kein Befund vorliegt. Das bedeutet, daß der logisch fehlerhafte psychologische Diagnoseapparat nur auf die Menge derjenigen Antezedenzbedingungen angewendet wird, durch welche sie wahrscheinlich bestätigt, nicht aber auf die Menge derer, durch welche sie möglicherweise falsifiziert wird: Der empirische Gehalt psychosomatischer Diagnosen ist also gleich null.

Konklusion:

Der Informationsgehalt einer psychosomatischen Diagnose ist nichts als eine Abbildung der medizinischen Diagnostik und aller Fehler, die jener möglicherweise unterlaufen sind.

Quellen:

Popper, Karl R.: Logik der Forschung, § 36 „Empirischer Gehalt”, Implikationsbeziehung, Falsifizierungsgrad
Westmeyer, Hans: Logik der Diagnostik – Grundlagen einer normativen Diagnostik

Die Verdrehung des Placebo-Effekts

▫ Der Placebo-Effekt war ursprünglich eingeführt worden als Bezeichnung
infolge von positiven Reaktionen auf a) Scheinmedikamente ohne Inhalt b)
skurille Heilmethoden ohne plausibles Wirkprinzip innerhalb medizinischer
Studien. Dabei sollten mit dem Placebo-Effekt gerade jene
Erklärungsalternativen bezeichnet werden, welche ein „mind over
matter”-Prinzip ausschlossen – denn ohne dessen Ausschluss hätte man die
Wirksamkeit der erwähnten skurrilen Heilmethoden ja auch gleich zugeben
können.

Als Beispiele für Erklärungsalternativen wären nämlich auch weitaus
alltäglichere Annahmen zu nennen, die mit weniger Annahmen auskommen – aus
theoretischer Sicht also dem Ökonomieprinzip von Occam folgen. Denn sie
müssen von weniger weitreichenden und umgreifenden Annahmen ausgehen, als
jene, die nötig wären, wollte man eine tatsächliche körperliche Veränderung
durch geistige Veränderung im Sinne des „mind over matter” Prinzips
behaupten.

Zum Beispiel der Interviewer-Effekt. Oder eine Verschiebung der
Aufmerksamkeit: Wer einen Tinnitus hat, der kann durch Ablenkung zwar nicht
erreichen, diesen loszuwerden, aber zumindest, ihn nicht beziehungsweise
bedeutend weniger wahrzunehmen. Und fühlt man sich bei Beschwerden nicht
bedeutend besser, wenn man damit endlich beim Arzt ist, als wenn man durch
Warterei gequält wird?

Es geht mir an der Stelle nicht darum, den Placebo-Effekt zu erklären,
sondern aufzuzeigen, daß man, um ihn zu erklären, nicht gleich mit Kanonen
auf Spatzen schießen muss, sondern alltägliche Alternativerklärungen
durchaus in der Lage sind, die positiven Reaktionen zu erklären. Genannt
seien hier bloss der Barnum-Effekt und

https://de.wikipedia.org/wiki/Barnum-Effekt
https://en.wikipedia.org/wiki/Response_bias

▫ Im Laufe der Geschichte aber wandelte sich der Sprachgebrauch. Zuerst
vollzog sich die Bedeutungswandlung dahingehend, daß der „Placebo-Effekt”
nun ein Bezeichner für OneMythExplainThemAll wurde: Die mind-over-matter
Interpretation wurde tatsächlich gebräuchlich. Statt der Aussage, daß der
Test-Patient lediglich ein Eindruck einer Besserung hat – die meistens so
gravierend gar nicht ist – wurde von einer psychologisierten Medizin nun
die Aussage vertreten, daß sich nicht die Wahrnehmung des Patienten in
Bezug auf das Leiden, sondern das Leiden selbst ändert. Nun, da man die
weitreichenden und umgreifenden Annahmen des „mind over matter”-Prinzips
zugegeben hat, könnte man natürlich auch die Wirksamkeit der skurillen
Heilmethoden zugeben. Diese Schlußfolgerung aber zieht man nicht. Der
Placebo-Effekt wird zu einem neuen Abgrenzungskriterium zu
Aussenseitertheorien. Die thatsächliche Veränderung des Leiden selbst darf
alleine mit der offiziellen „Theorie” von körperlichen Veränderungen durch
geistige Veränderung, nämlich der ›Psychosomatik‹ erklärt werden. In diesem
Fall gilt die Annahme dann irrigerweise als „wissenschaftlich”, was
ausreichendes Zeichen der totalen Verblödung der Medizin durch
Psychogeschwafel ist.

▫ Aber die Bedeutungswandlung wurde noch radikaler. Der Placebo-Effekt soll
heutezutage nicht nur im Sinn eines ›Abgrenzungskriterium‹ fungieren, um
die Wirksamkeit von Aussenseitertheorien zu entkräften. Die Bezeichnung
wird von der Psychologie zum Kampfbegriff, zum populistischen Beispiel für
die angebliche Wirkmächtigkeit des Seelischen über die Materie schlechthin erhoben. Wir
stellen also die Verdrehung der Bedeutung des sprachlichen Zeichens um 180°
im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Bedeutung durch die Psychosomatik
fest.

▫ Das Publikum verblüffen: „Isn’t our brain mavellous? The brain amazes!”

Immer wieder bedienen sich nun Psychologen und insbesondere doctor-writer mit ihren verkürzenden, rein auf Publikumswirksamkeit abzielende Darstellung medizinischer Thematiken des durch sie mystifizierten Placebo-Effektes um Bauernfängerei zu betreiben.

 

Psychosomatiker am Zentrum für Seltene Erkrankungen

THESE:

Psychosomatik-Apologeten in einem ZUK/ZSK sind eine contradictio in adjecto.

Aus unserer Sicht ist nicht zu rechtfertigen, daß Psychologen/Psychosomatiker an ZUKs beteiligt werden. Wir wiederholen unsere Aussage aus dem Beitrag Psychologen sind Psychologen (Das formal identische Urteil)

Es ist nicht vorstellbar, daß ein ZUK für einen Psychologen/Psychiater etwas anderes ist, als ein „Sammelbecken für verdrängte psychische Erkrankungen.”

Und aus dem Beitrag Psychosomatik als Strategie

Psychosomatik als Strategie

Für unser Argument stellen wir nämlich folgende zentrale These auf:

Es ist eine gängige Strategie in der medizinischen Praxis, sich schwieriger Fälle dadurch zu entledigen, daß man sie auf die Psychoschiene schiebt. Dies gehört zu der Grunderfahrung vieler Patienten mit Ungeklärten oder sogar Unbekannten Krankheiten. Wir betonen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern es gehört zum Alltag der medizinischen „Ausschlussdiagnostik” und soll, durch Konzepte wie jenes der Funktionale-Theorie, noch weiter in der medizinischen Praxis-Routine verankert werden.

Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 1

Einleitung

Die Medizin behauptet die Existenz einer Patientengruppe von „eingebildeten Kranken.” Bei diesen handele es sich um Patienten, bei denen die Medizin bereits „alle” Untersuchungen ohne Ergebnis durchgeführt habe, so dass folglich „keine andere Erklärung” übrig bliebe, als dass die Beschwerden „psychogen” sein müssten. Derart sieht das logische Schliessen in diesen Fällen aus.Getragen wird dieser logische Fehlschluss durch ein psychologisches Konstrukt, dessen typischen Merkmale wir an dieser Stelle beschreiben wollen.

Wir nehmen dafür u.a. Bezug auf

  1. Leitlinie
    Umgang mit Patienten mit nicht
    spezifischen, funktionellen und
    somatoformen Körperbeschwerden
    (link)

1 Typische Charakterisierung von Patienten mit »Nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Koerperbeschwerden«

1. „Patienten, die fortgesetzt über allerlei körperliche Beschwerden klagen, ohne dass dem eine erkennbare Erkrankung zugrunde liegt

2. „klagt fortgesetzt über körperlichen* Beschwerden, obwohl” die Routinediagnostik „ohne Befund” verläuft.

3. „wiederholte Darbietung körperlicher  Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse.”

4. „Mißverhältnis zwischen Klagen und Befunden”

5. Patients complaining of pain and/or fatigue in the absence of known physical diseases

* Mit dem Attribut ‚körperlich’ deutet der Mediziner – es handelt sich dabei um Relationsbegriffe

wie ‚rechts’ und ‚links’ – bereits an, dass es sich in Wahrheit um das Gegenteil von ›organischen‹ Beschwerden, nämlich um ›psychosomatische‹ oder ›immaterielle‹ Beschwerden handelt. Die Attribute werden nirgendwo eingeführt, der Sprachgebrauch setzt das Verständnis unkritisch voraus.

2. Körperbeschwerden als primäre (psychiatrische) Symptomatik: Woran erkennt man die ‚Funktionale Störung’?

Ziel des Konstruktes der „Funktionalen-Störung” ist nicht die psychosomatische Weltausdeutung schlechthin, wenngleich es die Bemühungen der entsprechenden Eiferer gerne zu seinem Fundament nimmt. Sie ist eine Teilmenge der „biopsychosozialen” Kampfbegriff-Theorie (welcher  ihrerseits das Ziel der aggressiven weltauslegerischen Expansion allerdings eignet.)

Mit Diagnosen wie „F45.0 Somatisierungsstörung” soll in der Hauptsache das Phänomen der „ungeklärten Symptomatik” aus der Medizin zu einer eigenständigen Krankheit der Psychologie transformiert werden. Es braucht also nicht einmal eine eigene psychiatrische Grunderkrankung wie eine Depression begründet zu werden, als deren Folge etwa die „psychosomatischen” Symptome erst auftreten würden.

Die Leitlinie spricht deshalb von

»Körperbeschwerden als primäre Symptomatik.«

Noch offensichtlicher könnten die Anhänger kaum sagen, daß es ihnen um die Erledigung des Problems schwer zu diagnostizierender Symptomatiken geht.

Es ist verständlich, dass sich aus diesem Fehlen eigentlicher psychiatrischer Symptome die nicht zu unterschätzende Schwierigkeit ergibt, dieses Konstrukt noch sinnvoll zu bezeichnen. Das Konstrukt greifen und benennen zu wollen ist wie einen Pudding an die Wand schlagen zu wollen. Dadurch wird Kritik behindert. Der Stereotyp vom „Eingebildeten Kranken” tritt in immer neuen Konstrukten unter immer neuen Namen auf. Entzieht sich. Die psychiatrischen Konstrukte unter denen der Stereotyp auftritt sind stets zeitlich begrenzt („Modebegriffe”) und werden per Mehrheitsbeschluss („Binnenkonsens”) als sogenannte Syndrome ratifiziert. Das einzig Bleibende an ihm scheint die Paradoxie: „Krankheit, die keine ist”, oder wie Erich Kästner sagte: „Migräne sind Kopfschmerzen, wenn man keine hat.” Wir werden weiter unten bei den „atypischen Depressionen” noch zwei weitere Paradoxien kennenlernen.

Es ist verständlich, dass sich aus diesem Fehlen eigentlicher psychiatrischer Symptome hinzukommt, dass psychiatrische Terminologie der Euphemismustretmühle unterliegt, weil der diskriminierende Gehalt und die damit verbundene geringe Akzeptanz der Diagnosen bei den

Patienten aus Sicht der jeweiligen Erfinder ein bloßes Mißverständnis darstellt, welchem sie durch das immer neue Einführen immer neuer Terminologien vergeblich Abhilfe zu schaffen suchen.

Das Konstrukt greifen und benennen zu wollen ist wie einen Pudding an die Wand schlagen zu wollen. Der Stereotyp vom „Eingebildeten Kranken” tritt in immer neuen Konstrukten unter immer neuen Namen auf. Entzieht sich. Die psychiatrischen Konstrukte unter denen der Stereotyp auftritt sind stets zeitlich begrenzt („Modebegriffe”) und werden per Mehrheitsbeschluss („Binnenkonsens”) als sogenannte Syndrome ratifiziert. Dadurch wird Kritik deutlich behindert. Das einzig Bleibende an ihm scheint die Paradoxie: „Krankheit, die keine ist”, oder wie Erich Kästner sagte: „Migräne sind Kopfschmerzen, wenn man keine hat.” Wir werden bei den „atypischen Depressionen” noch zwei weitere Paradoxien kennenlernen.

Die Schwierigkeit besteht also in der Bestandsaufnahme von für den Stereotyp zum jetzigen Zeitpunkt spezifischen Ausprägungen.

2.1 Welche Terminologie benutzt der Stereotyp der sogenannten „Funktionellen Störung” für sich selbst?

Die Leitlinie verwendet daür durchgängig die festgeprägte Formulierung

„Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Koerperbeschwerden”

2.2 Welche DSM/ICD-10 Diagnosen sind kontemporär relevant?

Die Hypochondrie muss hier eigentlich an erster Stelle genannt werden, denn sie hat sich am längsten gehalten und ist ikonisch für den Stereotyp – ohne dass dieser aber auf jene Diagnose reduziert sei. Die „Diagnose”

Hypochondrie beschreibt die “falsche Überzeugung, krank zu sein.”

Die Tabelle 3.1 der Leitlinie listet folgende Diagnosen aus „Psychosomatischer Medizin”,  „Psychiatrie” sowie der „Klinischen und Medizinischen Psychologie” als für diesen Kontext relevant auf.

  1. Somatisierungsstörung
  2. Undifferenzierte Somatisierungsstörung
  3. Somatoforme autonome Funktionsstörung
  4. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
  5. Chronische Schmerzstörung mit somatischenund psychischen Faktoren
  6. Hypochondrische Störung
  7. Dissoziative Störungen der Bewegung und Empfindung (Konversion)
  8. (Nicht wahnhafte) Körperdysmorphe Störung
  9. Neurasthenie
  10. „larvierte“ oder „somatisierte“ Depression

Auch wenn die Leitlinie nur die larvierte Depression, nicht aber die F41.1 (Generalisierte) Angststörung auflistet, gehört sie unserer Meinung nach dennoch zu den relevanten Diagnosen. (Siehe unten)

Die Tabelle 5.1: Aktuelle Klassifikation somatoformer Störungen nach ICD-10 bietet noch eine genauere Auflistung mit Nennung der Diagnoseschlüssel.

14. Nichts hält ahnungslose Ärzte in der Praxis davon ab, unbekannte Symptome schon einmal Psychosen („Wahngebilde”) zu diagnostizieren (diagnostizieren zu lassen) aber das ist nicht unbedingt spezifisch für den Stereotyp der „Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Koerperbeschwerden.”

Hier geht es zu Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 2

Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 3

4 Der Zirkelschluss der Diagnosekriterien von F45.0 Somatisierungsstörung

Der Diagnose F45.0 unterliegt unverkennbar ein Zirkelschluss. Es kommt in die Prämissen der Argumentation schon das hinein, was dann als gefolgerte These wieder herauszuholen ist.

Beweisen möchte man gerne die Konklusion:

„Diese nur scheinbar körperliche Symptomatik ist in Wahrheit psychosomatisch”.

Die Diagnosekriterien enthalten als Prämissen aber bereits die Aussage

„ungeklärte medizinische Krankheit alleine ist bereits ein psychologisches Symptom”…

Ähnlich wie ein Taschenspieler etwa Uhren oder Kaninchen aus einem Zylinderhut hervorzaubert, nachdem er sie vorher heimlich hineinpraktiziert hat.

4.1 F32.8 Larvierte Depression und andere „atypische” Störungen sowie F41.1 (Generalisierte) Angststörung

Ebenso logisch fehlerhaft wie die Definitionen der Somatisierungsstörung sind die Definitionen der Konstrukte „larvierte Depression” und „Generalisierte Angststörung”.

Sie verletzen eine ganz wesentliche Forderung an wissenschaftliche Hypothesen:

Ein empirisch-wissenschaftliches System muß an der Erfahrung scheitern können.

― Karl Popper: Logik der Forschung, s. 15

Grundlage für Wissenschaftlichkeit sind Falsifizierungskriterien¹. Diese fehlen hier nicht etwa aus „Pfusch” o.ä., sondern per Definition. Aus Absicht. Die Aussage ist, daß gerade das Fehlen von „typischen” Kriterien auf irgendeine seltsame Art „typisch” sei. Natürlich: Untypische Verläufe gibt es immer. Aber es braucht Chuzpe um diese Charakteristik zum definiens zu erheben.

– Kurz und knapp: Eine Diagnose ohne überprüfbare Kriterien, die mit keiner möglichen Tatsache mehr kollidieren kann, kann schlichtweg nicht wissenschaftlich sein.

Typisch für die Generalisierte Angststörung ist ebenso wie für die „larvierte Depression” das fehlende Falsifikationskriterium. Weil nicht anggebbar ist, „wovor?” die Person angeblich „Angst” hat, „worauf?” sich die Angst angeblich bezieht – und sich darum auch nicht ausschliessen lässt – hat das Konstrukt die paradoxe Formulierung der „Angst vor der Angst” etabliert.

In der Formulierung des „typischerweise Untypischen” haben wir eine ähnlich paradoxe Reduplikation wie in der „Angst vor der Angst“

___________________________________________________________________________ ¹https://web.archive.org/web/20130701095348/http://www.stephenjaygould.org/ctrl/popper_falsification.html#see

Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 4

Der Begriff „funktionell”: Ein verschleierter Hylomorphismus

(Statement 6 der Leitlinie)

Der Begriff deutet an, dass überwiegend die Funktion, nicht die Struktur, eines Organ(system)s (z.B. des Herzens bei Herzbeschwerden, des Darms bei Verdauungsstörungen) bzw. der zentralnervösen Verarbeitung von Beschwerdewahrnehmungen gestört scheint.

Geist und Materie – verschleiert

Aber die Differenzierung ›funktionell‹ und ›strukturell‹ ist schließlich nichts weiter als eine dünne und untaugliche Bemäntelung für einen Uralt-Hylomorphismus. Die Wörter „funktionell” und „strukturell” sind absichtlicher Namensirrtum.

Wovon eigentlich verschleiert die Rede ist, das sind Form (Seele) und Materie.

Und der Materie-Begriff nun, welchen der besagte Hylomorphismus des „Funktionelle Störung”-Topos offenbart, ist nicht mehr als gleichgültiges Substrat für eine Form.

Gemeint ist nicht Funktion, sondern der Geist in der Maschine

Eine Funktion bzw. einen Funktionalismus gibt es im Hylomorphismus nicht – das nämlich würde ihn schlicht erübrigen. Ein Funktionalismus wiederum kennt keine von der Funktion unabhängige Struktur. Eine Unabhängigkeit beider Sphären gibt es nur beim Geist-in-der-Maschine.

Eine äussert problematische Behauptung

Das Narrativ arbeitet mit dem Begriffsgegensatz ›funktionell‹ und ›strukturell‹. Der Begriff ›funktionell‹ behauptet schlechterdings, daß ein Organ in seiner ›Funktion‹ beeinträchtigt ist, ohne daß Veränderungen der ›Struktur‹ erkennbar sind.

Der Gedanke an sich ist erkennbar absurd. Wer würde schon als Ursache eines Defektes eines Ganzen die Intaktheit der Teile in Betracht ziehen? Eine angebliche Funktionsstörung bei Intaktheit der Teile ist eine handfeste Anti-Alltagserfahrung, eine Anti-Erfahrungstatsache.

Er wird lediglich gestützt von der spezifisch medizinischen Erfahrung der Beschränktheit ihrer eigenen Diagnosemittel, den Körper zu befragen. Techniken wie das Röntgenbild, CT, MRT, … sind statisch und stellen eine hylomorphistische Form ohne ihre Funktion dar, wohingegen andere Untersuchungsmethoden, häufig dann unter Ausschluss der Form, die Funktion des Körpers darstellen.

Erklärungsversuch

Behauptet und gestützt werden soll die Behauptung des Funktionsdefektes bei und gerade durch intakte Struktur des Organs. Das ist nur möglich, wenn sich eine Unabhängigkeit beider Systeme herleiten lässt, die den hiatus versöhnt, welchen die Behauptung aufreisst.

Wie ist eine solche Unabhängigkeit überhaupt möglich? Um diese Frage zu beantworten muss man hier schon von dem klassischen Kategorienfehler (Gilbert Ryle) sprechen. Ein Beispiel; offenbart den Denkfehler, den die Anhänger des „Funktionelle Störung”-Topos machen. Angenommen jemand kauft sich ein „Paar Handschuhe.” Die „Struktur” des Organs betrachten die Anhänger der Theorie in unserem Beispiel als einen linken und einen rechten Handschuh. Die „Funktion” aber würden sie in dem Beispiel als ein Paar von Handschuhen betrachten, das – und hier liegt ihr Denkfehler: als Summe verschieden von seinen Teilen (dem linken und dem rechten Handschuh ist). Sodass sie in der Summe 1x einen linken Handschuh, 1x einen rechten Handschuh und darüberhinaus 1x ein Paar Handschuhe hätten.

Das Ganze wird sich vorgestellt als ein weiterer Bestandteil neben den Teilen, die es konstituieren. Oder anders gesagt: Es findet eine Verdoppelung statt.

In der Verdoppelung ist schließlich die für den Spiritualismus notwendige Unabhängigkeit gefunden.

Damit ist ein weiteres Mal die begriffliche Armut und fehlende Begründungskraft des Narrativs dargelegt. Und um unsere Frage von oben zu beantworten: Eine solche Unabhängigkeit, wie sie nötig wäre, um die Behauptung aufrecht zu erhalten, ist schlicht nicht möglich.

Der Hylomorphismus, den wir im Kernbegriff des „Funktionelle Störung”-Topos  offengelegt haben, kennt übrigens gar keinen Funktionsbegriff. Bereits hier beginnt die Irreführung der Anhänger der »Funktionellen Störung«. Die Aristotelische Lehre lässt die Relation gerade so als logische Kategorie in seinen Kategorien zu und kennt funktionelle Veränderung nur als akzidentielle Art der Veränderung (μεταβολή) –  und zwar die compositio sive figura sive ordo.