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Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 4

Der Begriff „funktionell”: Ein verschleierter Hylomorphismus

(Statement 6 der Leitlinie)

Der Begriff deutet an, dass überwiegend die Funktion, nicht die Struktur, eines Organ(system)s (z.B. des Herzens bei Herzbeschwerden, des Darms bei Verdauungsstörungen) bzw. der zentralnervösen Verarbeitung von Beschwerdewahrnehmungen gestört scheint.

Geist und Materie – verschleiert

Aber die Differenzierung ›funktionell‹ und ›strukturell‹ ist schließlich nichts weiter als eine dünne und untaugliche Bemäntelung für einen Uralt-Hylomorphismus. Die Wörter „funktionell” und „strukturell” sind absichtlicher Namensirrtum.

Wovon eigentlich verschleiert die Rede ist, das sind Form (Seele) und Materie.

Und der Materie-Begriff nun, welchen der besagte Hylomorphismus des „Funktionelle Störung”-Topos offenbart, ist nicht mehr als gleichgültiges Substrat für eine Form.

Gemeint ist nicht Funktion, sondern der Geist in der Maschine

Eine Funktion bzw. einen Funktionalismus gibt es im Hylomorphismus nicht – das nämlich würde ihn schlicht erübrigen. Ein Funktionalismus wiederum kennt keine von der Funktion unabhängige Struktur. Eine Unabhängigkeit beider Sphären gibt es nur beim Geist-in-der-Maschine.

Eine äussert problematische Behauptung

Das Narrativ arbeitet mit dem Begriffsgegensatz ›funktionell‹ und ›strukturell‹. Der Begriff ›funktionell‹ behauptet schlechterdings, daß ein Organ in seiner ›Funktion‹ beeinträchtigt ist, ohne daß Veränderungen der ›Struktur‹ erkennbar sind.

Der Gedanke an sich ist erkennbar absurd. Wer würde schon als Ursache eines Defektes eines Ganzen die Intaktheit der Teile in Betracht ziehen? Eine angebliche Funktionsstörung bei Intaktheit der Teile ist eine handfeste Anti-Alltagserfahrung, eine Anti-Erfahrungstatsache.

Er wird lediglich gestützt von der spezifisch medizinischen Erfahrung der Beschränktheit ihrer eigenen Diagnosemittel, den Körper zu befragen. Techniken wie das Röntgenbild, CT, MRT, … sind statisch und stellen eine hylomorphistische Form ohne ihre Funktion dar, wohingegen andere Untersuchungsmethoden, häufig dann unter Ausschluss der Form, die Funktion des Körpers darstellen.

Erklärungsversuch

Behauptet und gestützt werden soll die Behauptung des Funktionsdefektes bei und gerade durch intakte Struktur des Organs. Das ist nur möglich, wenn sich eine Unabhängigkeit beider Systeme herleiten lässt, die den hiatus versöhnt, welchen die Behauptung aufreisst.

Wie ist eine solche Unabhängigkeit überhaupt möglich? Um diese Frage zu beantworten muss man hier schon von dem klassischen Kategorienfehler (Gilbert Ryle) sprechen. Ein Beispiel; offenbart den Denkfehler, den die Anhänger des „Funktionelle Störung”-Topos machen. Angenommen jemand kauft sich ein „Paar Handschuhe.” Die „Struktur” des Organs betrachten die Anhänger der Theorie in unserem Beispiel als einen linken und einen rechten Handschuh. Die „Funktion” aber würden sie in dem Beispiel als ein Paar von Handschuhen betrachten, das – und hier liegt ihr Denkfehler: als Summe verschieden von seinen Teilen (dem linken und dem rechten Handschuh ist). Sodass sie in der Summe 1x einen linken Handschuh, 1x einen rechten Handschuh und darüberhinaus 1x ein Paar Handschuhe hätten.

Das Ganze wird sich vorgestellt als ein weiterer Bestandteil neben den Teilen, die es konstituieren. Oder anders gesagt: Es findet eine Verdoppelung statt.

In der Verdoppelung ist schließlich die für den Spiritualismus notwendige Unabhängigkeit gefunden.

Damit ist ein weiteres Mal die begriffliche Armut und fehlende Begründungskraft des Narrativs dargelegt. Und um unsere Frage von oben zu beantworten: Eine solche Unabhängigkeit, wie sie nötig wäre, um die Behauptung aufrecht zu erhalten, ist schlicht nicht möglich.

Der Hylomorphismus, den wir im Kernbegriff des „Funktionelle Störung”-Topos  offengelegt haben, kennt übrigens gar keinen Funktionsbegriff. Bereits hier beginnt die Irreführung der Anhänger der »Funktionellen Störung«. Die Aristotelische Lehre lässt die Relation gerade so als logische Kategorie in seinen Kategorien zu und kennt funktionelle Veränderung nur als akzidentielle Art der Veränderung (μεταβολή) –  und zwar die compositio sive figura sive ordo.