Archiv der Kategorie: Logische Fehler

Logische Fehler in psychologischen Hintergrundgebilden, Leitlinien und Diagnosekriterien

Die Psychosomatik kann keine Diagnosen stellen

1. Fehlendes Unterscheidungskriterium

Die Psychosomatik besitzt kein präzises Unterscheidungskriterium, wodurch sie autonom die von ihr so-genannten „körperlichen” von den von ihr so-genannten „psychogenen” Symptomen unterscheiden könnte. Jede Grenzziehung ist wie so oft in der Psychologie wieder einmal willkürlich. Es liegt aufgrund dieser Tatsache offen, daß die Psychosomatik gar nichts anderes sein *kann* als eine Entsorgungseinrichtung (man kann auch sagen: Mülltonne) für alles, was die Medizin nicht behandeln will.

Dieser Befund ist gleichwertig mit der Feststellung, daß die Psychosomatik und mithin die Psychologie keine objektiven Tests für die von ihr behaupteten Krankheiten hat.

2. Cherry picking und Empirischer Gehalt von Psychosomatik-Diagnosen

Die psychosomatische Diagnostik ähnelt einem Hexentest, weil sie eine Ergebnisoffenheit vortäuscht, in Wirklichkeit aber meist nur einen Ausgang kennt. Im Prinzip handelt es sich um einen Zirkelschluss durch Selektion. Bevor wir verstehen können, warum das so ist, müssen wir zunächst den Begriff des empirischen Gehaltes kennenlernen. Der empirische Gehalt ist von Popper bestimmt als die Menge der Falsifizierungsmöglichkeiten einer Theorie. Je mehr eine Theorie verbietet, desto höher ist ihr empirischer Gehalt und umgekehrt.
Westmeyer stellt nun die Strukturgleichheit von Erklärung und Prognose einerseits, für welche die Definition von Popper gilt, und der Diagnose andererseits, fest. Nun ist, wie gesagt, psychosomatische Diagnostik nicht ergebnisoffen, sondern kennt meist nur einen einzigen Ausgang. Das liegt daran, daß eine Vorselektion von Falsifikationsmöglichkeiten stattfindet. Das Patientenkollektiv, auf welches psychosomatische Diagnostik überhaupt angewandt wird, ist durch das Prädikat gekennzeichnet, daß trotz „viel” medizinischer Diagnostik kein Befund vorliegt. Das bedeutet, daß der logisch fehlerhafte psychologische Diagnoseapparat nur auf die Menge derjenigen Antezedenzbedingungen angewendet wird, durch welche sie wahrscheinlich bestätigt, nicht aber auf die Menge derer, durch welche sie möglicherweise falsifiziert wird: Der empirische Gehalt psychosomatischer Diagnosen ist also gleich null.

Konklusion:

Der Informationsgehalt einer psychosomatischen Diagnose ist nichts als eine Abbildung der medizinischen Diagnostik und aller Fehler, die jener möglicherweise unterlaufen sind.

Quellen:

Popper, Karl R.: Logik der Forschung, § 36 „Empirischer Gehalt”, Implikationsbeziehung, Falsifizierungsgrad
Westmeyer, Hans: Logik der Diagnostik – Grundlagen einer normativen Diagnostik

Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 3

4 Der Zirkelschluss der Diagnosekriterien von F45.0 Somatisierungsstörung

Der Diagnose F45.0 unterliegt unverkennbar ein Zirkelschluss. Es kommt in die Prämissen der Argumentation schon das hinein, was dann als gefolgerte These wieder herauszuholen ist.

Beweisen möchte man gerne die Konklusion:

„Diese nur scheinbar körperliche Symptomatik ist in Wahrheit psychosomatisch”.

Die Diagnosekriterien enthalten als Prämissen aber bereits die Aussage

„ungeklärte medizinische Krankheit alleine ist bereits ein psychologisches Symptom”…

Ähnlich wie ein Taschenspieler etwa Uhren oder Kaninchen aus einem Zylinderhut hervorzaubert, nachdem er sie vorher heimlich hineinpraktiziert hat.

4.1 F32.8 Larvierte Depression und andere „atypische” Störungen sowie F41.1 (Generalisierte) Angststörung

Ebenso logisch fehlerhaft wie die Definitionen der Somatisierungsstörung sind die Definitionen der Konstrukte „larvierte Depression” und „Generalisierte Angststörung”.

Sie verletzen eine ganz wesentliche Forderung an wissenschaftliche Hypothesen:

Ein empirisch-wissenschaftliches System muß an der Erfahrung scheitern können.

― Karl Popper: Logik der Forschung, s. 15

Grundlage für Wissenschaftlichkeit sind Falsifizierungskriterien¹. Diese fehlen hier nicht etwa aus „Pfusch” o.ä., sondern per Definition. Aus Absicht. Die Aussage ist, daß gerade das Fehlen von „typischen” Kriterien auf irgendeine seltsame Art „typisch” sei. Natürlich: Untypische Verläufe gibt es immer. Aber es braucht Chuzpe um diese Charakteristik zum definiens zu erheben.

– Kurz und knapp: Eine Diagnose ohne überprüfbare Kriterien, die mit keiner möglichen Tatsache mehr kollidieren kann, kann schlichtweg nicht wissenschaftlich sein.

Typisch für die Generalisierte Angststörung ist ebenso wie für die „larvierte Depression” das fehlende Falsifikationskriterium. Weil nicht anggebbar ist, „wovor?” die Person angeblich „Angst” hat, „worauf?” sich die Angst angeblich bezieht – und sich darum auch nicht ausschliessen lässt – hat das Konstrukt die paradoxe Formulierung der „Angst vor der Angst” etabliert.

In der Formulierung des „typischerweise Untypischen” haben wir eine ähnlich paradoxe Reduplikation wie in der „Angst vor der Angst“

___________________________________________________________________________ ¹https://web.archive.org/web/20130701095348/http://www.stephenjaygould.org/ctrl/popper_falsification.html#see

Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 2

Induktionsproblem: Charakterisierung der Beschwerden als „Medizinisch nicht erklärbar”

Wir möchten uns an dieser Stelle mit zwei weiteren Lügen befassen, mit denen die universitäre Psycholobby gerne Menschen mit den angeblichen „Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Koerperbeschwerden” charakterisieren möchte.
Zum einen liegt ein logischer Fehlschluss vor, zum anderen eine klassische Lüge. Der logische Fehlschluss besteht darin, eine Theorie – etwa die der „funktionellen Störung” – durch noch so viele singuläre Einzelbeobachtungen verifizieren zu wollen.

Betrachten wir also das charakteristischste Stück an Terminologie und Formulierungen des Konzepts ›Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Koerperbeschwerden.‹ Es handelt sich um die Charakterisierung der Krankheiten der oben bereits charakterisierten Patientengruppe:

1. „medically unexplained”

2. „Befindlichkeitsstörungen, die sich medizinisch nicht begründen lassen”

3. „Somatisch  nicht  hinreichend  erklärte Körperbeschwerden”

4. „körperliche Symptome, für die es keine befriedigende organische Erklärung gibt”

Es gibt bloss ein gravierendes Problem mit ihnen: in ihnen ist das Induktionsproblem klar und deutlich erkennbar. Eine klassische Definition vom Induktionsproblem gab bereits Sextus Empiricus. Karl Popper definiert den Induktionsschluss in seiner Logik der Forschung folgendermaßen

Als induktiven Schluß oder Induktionsschluß pflegt man einen Schluß von besonderen Sätzen, die z. B. Beobachtungen, Experimente usw. beschreiben, auf allgemeine Sätze, auf Hypothesen oder Theorien zu bezeichnen

Das oben genannte Induktionsproblem bezeichnet

die Untauglichkeit des induktiven Schliessens für die Wissenschaft. Die Verifikation einer Theorie wie „Alle Schwäne sind weiß” kann nicht durch singuläre Beobachtungen erfolgen.

Die genannten Beispielsätze verallgemeinern nun von der blossen medizinischen „Ungeklärtheit” einer Erkrankung zu einer Gattung der angeblichen „medizinischen Unerklärbarkeit” schlechthin.

Formulierungen dieser Art stellt die modale Behauptung auf, daß eine medizinische Erklärung der beklagten Beschwerden auch mittelbar nicht gegeben werden könne.


 

Wir erlauben uns, den Gehalt der Charakterisierung der Beschwerden folgendermaßen als Theorem zusammenzufassen

„Es lässt sich kategorisch kein organisches Korrelat zu den geäusserten Beschwerden finden.”

Das ist der Versuch eines Negativ-Beweises durch Induktion. Aber es gilt: „You can’t prove a negative.” Die Hypothese des Nicht-Vorhandensein von etwas ist bloss die logische Umformung der positiven Hypothese vom ausschließlich Vorhandensein von etwas wo die Verifikation angeblich durch die Feststellung der Abwesenheit von etwas erfolgt. Etwa die These: „Es gibt den Weihnachtsmann nicht.” Keine Serie von singulären Sätzen („ich sehe keinen Weihnachtsmann”) wird jemals zur Verifikation dieser Hypothese ausreichen. Denn:

Wir müßten gleichfalls die ganze Welt absuchen, um dann sagen zu können, daß es etwas nicht gibt.

― Karl Popper: Logik der Forschung, s. 40

Der Anhänger der Theorie von der „Funktionellen Störung” aber möchte anhand von Momentaufnahmen induzieren, daß sich der Patient alles nur einbildet.