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Psychosomatiker am Zentrum für Seltene Erkrankungen

THESE:

Psychosomatik-Apologeten in einem ZUK/ZSK sind eine contradictio in adjecto.

Aus unserer Sicht ist nicht zu rechtfertigen, daß Psychologen/Psychosomatiker an ZUKs beteiligt werden. Wir wiederholen unsere Aussage aus dem Beitrag Psychologen sind Psychologen (Das formal identische Urteil)

Es ist nicht vorstellbar, daß ein ZUK für einen Psychologen/Psychiater etwas anderes ist, als ein „Sammelbecken für verdrängte psychische Erkrankungen.”

Und aus dem Beitrag Psychosomatik als Strategie

Psychosomatik als Strategie

Für unser Argument stellen wir nämlich folgende zentrale These auf:

Es ist eine gängige Strategie in der medizinischen Praxis, sich schwieriger Fälle dadurch zu entledigen, daß man sie auf die Psychoschiene schiebt. Dies gehört zu der Grunderfahrung vieler Patienten mit Ungeklärten oder sogar Unbekannten Krankheiten. Wir betonen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern es gehört zum Alltag der medizinischen „Ausschlussdiagnostik” und soll, durch Konzepte wie jenes der Funktionale-Theorie, noch weiter in der medizinischen Praxis-Routine verankert werden.

Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 1

Einleitung

Die Medizin behauptet die Existenz einer Patientengruppe von „eingebildeten Kranken.” Bei diesen handele es sich um Patienten, bei denen die Medizin bereits „alle” Untersuchungen ohne Ergebnis durchgeführt habe, so dass folglich „keine andere Erklärung” übrig bliebe, als dass die Beschwerden „psychogen” sein müssten. Derart sieht das logische Schliessen in diesen Fällen aus.Getragen wird dieser logische Fehlschluss durch ein psychologisches Konstrukt, dessen typischen Merkmale wir an dieser Stelle beschreiben wollen.

Wir nehmen dafür u.a. Bezug auf

  1. Leitlinie
    Umgang mit Patienten mit nicht
    spezifischen, funktionellen und
    somatoformen Körperbeschwerden
    (link)

1 Typische Charakterisierung von Patienten mit »Nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Koerperbeschwerden«

1. „Patienten, die fortgesetzt über allerlei körperliche Beschwerden klagen, ohne dass dem eine erkennbare Erkrankung zugrunde liegt

2. „klagt fortgesetzt über körperlichen* Beschwerden, obwohl” die Routinediagnostik „ohne Befund” verläuft.

3. „wiederholte Darbietung körperlicher  Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse.”

4. „Mißverhältnis zwischen Klagen und Befunden”

5. Patients complaining of pain and/or fatigue in the absence of known physical diseases

* Mit dem Attribut ‚körperlich’ deutet der Mediziner – es handelt sich dabei um Relationsbegriffe

wie ‚rechts’ und ‚links’ – bereits an, dass es sich in Wahrheit um das Gegenteil von ›organischen‹ Beschwerden, nämlich um ›psychosomatische‹ oder ›immaterielle‹ Beschwerden handelt. Die Attribute werden nirgendwo eingeführt, der Sprachgebrauch setzt das Verständnis unkritisch voraus.

2. Körperbeschwerden als primäre (psychiatrische) Symptomatik: Woran erkennt man die ‚Funktionale Störung’?

Ziel des Konstruktes der „Funktionalen-Störung” ist nicht die psychosomatische Weltausdeutung schlechthin, wenngleich es die Bemühungen der entsprechenden Eiferer gerne zu seinem Fundament nimmt. Sie ist eine Teilmenge der „biopsychosozialen” Kampfbegriff-Theorie (welcher  ihrerseits das Ziel der aggressiven weltauslegerischen Expansion allerdings eignet.)

Mit Diagnosen wie „F45.0 Somatisierungsstörung” soll in der Hauptsache das Phänomen der „ungeklärten Symptomatik” aus der Medizin zu einer eigenständigen Krankheit der Psychologie transformiert werden. Es braucht also nicht einmal eine eigene psychiatrische Grunderkrankung wie eine Depression begründet zu werden, als deren Folge etwa die „psychosomatischen” Symptome erst auftreten würden.

Die Leitlinie spricht deshalb von

»Körperbeschwerden als primäre Symptomatik.«

Noch offensichtlicher könnten die Anhänger kaum sagen, daß es ihnen um die Erledigung des Problems schwer zu diagnostizierender Symptomatiken geht.

Es ist verständlich, dass sich aus diesem Fehlen eigentlicher psychiatrischer Symptome die nicht zu unterschätzende Schwierigkeit ergibt, dieses Konstrukt noch sinnvoll zu bezeichnen. Das Konstrukt greifen und benennen zu wollen ist wie einen Pudding an die Wand schlagen zu wollen. Dadurch wird Kritik behindert. Der Stereotyp vom „Eingebildeten Kranken” tritt in immer neuen Konstrukten unter immer neuen Namen auf. Entzieht sich. Die psychiatrischen Konstrukte unter denen der Stereotyp auftritt sind stets zeitlich begrenzt („Modebegriffe”) und werden per Mehrheitsbeschluss („Binnenkonsens”) als sogenannte Syndrome ratifiziert. Das einzig Bleibende an ihm scheint die Paradoxie: „Krankheit, die keine ist”, oder wie Erich Kästner sagte: „Migräne sind Kopfschmerzen, wenn man keine hat.” Wir werden weiter unten bei den „atypischen Depressionen” noch zwei weitere Paradoxien kennenlernen.

Es ist verständlich, dass sich aus diesem Fehlen eigentlicher psychiatrischer Symptome hinzukommt, dass psychiatrische Terminologie der Euphemismustretmühle unterliegt, weil der diskriminierende Gehalt und die damit verbundene geringe Akzeptanz der Diagnosen bei den

Patienten aus Sicht der jeweiligen Erfinder ein bloßes Mißverständnis darstellt, welchem sie durch das immer neue Einführen immer neuer Terminologien vergeblich Abhilfe zu schaffen suchen.

Das Konstrukt greifen und benennen zu wollen ist wie einen Pudding an die Wand schlagen zu wollen. Der Stereotyp vom „Eingebildeten Kranken” tritt in immer neuen Konstrukten unter immer neuen Namen auf. Entzieht sich. Die psychiatrischen Konstrukte unter denen der Stereotyp auftritt sind stets zeitlich begrenzt („Modebegriffe”) und werden per Mehrheitsbeschluss („Binnenkonsens”) als sogenannte Syndrome ratifiziert. Dadurch wird Kritik deutlich behindert. Das einzig Bleibende an ihm scheint die Paradoxie: „Krankheit, die keine ist”, oder wie Erich Kästner sagte: „Migräne sind Kopfschmerzen, wenn man keine hat.” Wir werden bei den „atypischen Depressionen” noch zwei weitere Paradoxien kennenlernen.

Die Schwierigkeit besteht also in der Bestandsaufnahme von für den Stereotyp zum jetzigen Zeitpunkt spezifischen Ausprägungen.

2.1 Welche Terminologie benutzt der Stereotyp der sogenannten „Funktionellen Störung” für sich selbst?

Die Leitlinie verwendet daür durchgängig die festgeprägte Formulierung

„Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Koerperbeschwerden”

2.2 Welche DSM/ICD-10 Diagnosen sind kontemporär relevant?

Die Hypochondrie muss hier eigentlich an erster Stelle genannt werden, denn sie hat sich am längsten gehalten und ist ikonisch für den Stereotyp – ohne dass dieser aber auf jene Diagnose reduziert sei. Die „Diagnose”

Hypochondrie beschreibt die “falsche Überzeugung, krank zu sein.”

Die Tabelle 3.1 der Leitlinie listet folgende Diagnosen aus „Psychosomatischer Medizin”,  „Psychiatrie” sowie der „Klinischen und Medizinischen Psychologie” als für diesen Kontext relevant auf.

  1. Somatisierungsstörung
  2. Undifferenzierte Somatisierungsstörung
  3. Somatoforme autonome Funktionsstörung
  4. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
  5. Chronische Schmerzstörung mit somatischenund psychischen Faktoren
  6. Hypochondrische Störung
  7. Dissoziative Störungen der Bewegung und Empfindung (Konversion)
  8. (Nicht wahnhafte) Körperdysmorphe Störung
  9. Neurasthenie
  10. „larvierte“ oder „somatisierte“ Depression

Auch wenn die Leitlinie nur die larvierte Depression, nicht aber die F41.1 (Generalisierte) Angststörung auflistet, gehört sie unserer Meinung nach dennoch zu den relevanten Diagnosen. (Siehe unten)

Die Tabelle 5.1: Aktuelle Klassifikation somatoformer Störungen nach ICD-10 bietet noch eine genauere Auflistung mit Nennung der Diagnoseschlüssel.

14. Nichts hält ahnungslose Ärzte in der Praxis davon ab, unbekannte Symptome schon einmal Psychosen („Wahngebilde”) zu diagnostizieren (diagnostizieren zu lassen) aber das ist nicht unbedingt spezifisch für den Stereotyp der „Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Koerperbeschwerden.”

Hier geht es zu Funktionelle Störung: „Krankheit, die keine ist”, Teil 2

Psychologen sind Psychologen (Das formal identische Urteil)

Psychologen sind nun einmal Psychologen. Wenn sie eine psychologische Deutung entwerfen, dann ist das keine Überraschung, sondern genau das, was man von ihnen zu erwarten hat. Wer zu einem Astrologen geht, braucht nicht überrascht zu sein, wenn er ein Horoskop bekommt.

Es ist nicht vorstellbar, daß ein ZUK für einen Psychologen/Psychiater etwas anderes ist, als ein „Sammelbecken für verdrängte psychische Erkrankungen.”

Ein Urteil wie „Psychologen sind Psychologen” wird von Wilhelm Wundt in seiner Logik das formal identische Urteil genannt und dient der Bekräftigung verschiedener Eigenschaften der identisch gesetzten Begriffe. In diesem Fall ist darauf hinzuweisen, daß Psychologen natürlich einen Fall aus psychologischer und nicht etwa medizinischer Sicht deuten werden, weil genau das ihre Aufgabe als Psychologe ist. Das darf über psychologische Tatsachenfeststellung nie vergessen werden.

Der Psychologe/Psychiater kann nicht nur, sondern muss die beklagten Beschwerden psychologisch deuten, sofern Beschwerden ohne entsprechenden „organischen Befund” vorliegen. Er hat gar keine andere Wahl, das geht – zirkuläre Logik hin oder her – aus der Definition der Diagnosekriterien unausweichlich hervor.

Worauf wartet ihr?

Daß die Tauben mit sich reden lassen
Und daß die Unersättlichen
Euch etwas abgeben!
Die Wölfe werden euch nähren, statt euch zu verschlingen!
Aus Freundlichkeit Werden die Tiger euch einladen
Ihnen die Zähne zu ziehen!

Darauf wartet ihr!

(Brecht)

Ausserdem halten wir folgende Feststellung fest: Daß ein Psychologe eine bestimmte Aussage ableiten kann (also ein Ausdruck beziehungsweise ein Element der Sprache der Psychologie ist) beweist nicht mehr, als daß ein Psychologe eine bestimmte Aussage ableiten kann.